1. Einleitung: Vorteile von Fähigkeitsdiagnostik
Berufsbezogene Eignungsdiagnostik hat üblicherweise das Ziel, Vorhersagen über den Erfolg, die Leistung und die Zufriedenheit von Personen in spezifischen Positionen und Funktionen in einer Organisation und bei den dort wesentlichen Arbeiten und Tätigkeiten zu treffen (siehe z. B. DIN, 2016; Hülsheger & Maier, 2008; Litzcke, 2003; Schuler, 2014). Das Augenmerk wird dabei auf die Passung zwischen den Voraussetzungen einer Person und den Anforderungen einer zu besetzenden Stelle entlang verschiedener Massstäbe gerichtet. Noch vor verschiedenen anderen Dimensionen für den Abgleich (z. B. biografischer Information im Lebenslauf oder persönlichkeitsbedingter Präferenzen) hat sich dabei die allgemeine Denkfähigkeit (d. h. Intelligenz) als einer der stärksten Prädiktoren bei der Vorhersage von beruflicher Leistung herausgestellt (siehe z. B. Sackett et al., 2022; Schmidt & Hunter, 1998).
Abgestimmt auf die Erfordernisse der beruflichen Grundbildung erfasst der Multicheck® Wirtschaft und Administration die individuelle Ausprägung verschiedener Kompetenzen und kognitiver Fähigkeiten und setzt sie in Beziehung zu den Anforderungen der spezifischen Berufslehren. Zweck der Eignungsdiagnostik per Einsatz des Multicheck® Wirtschaft und Administration ist üblicherweise, eine Informationsgrundlage zu erzeugen, mithilfe derer Einstellungsentscheidungen zu einer möglichst günstigen Passung zwischen den Anforderungen der angestrebten Berufslehre und den individuellen Voraussetzungen der Bewerbenden führen. Im Vergleich zu schulischen Leistungsnachweisen allein kann die Verwendung des Multicheck® Wirtschaft und Administration als standardisiertes Testverfahren zur Messung der kognitiven Leistungsfähigkeit die Fairness einer Eignungsbeurteilung steigern: ein Eignungstest bietet den Personen unabhängig von der sozialen Herkunft und den Schulnoten eine Chance, ihr Potenzial zu zeigen (Strenze, 2007).
1.1 Erhöhung der Trefferquote in Auswahlprozessen
Wie Kersting et al. (2008) anführen, lässt sich durch die Steigerung der Validität einer diagnostischen Beurteilung die Trefferquote in einem Auswahlprozess steigern (siehe auch Schmidt-Atzert et al., 2018; Taylor & Russell, 1939, Wiggins, 1973). Abbildung E1 illustriert den Nutzen einer Verwendung von validen Methoden bei einer Eignungsbeurteilung. Bei der Grafik handelt es sich um eine Weiterführung und Elaboration von Chart I in Taylor und Russel (1939). Die Punktewolken repräsentieren eine Gruppe von Personen, die an einer Eignungsbeurteilung teilnehmen. Es handelt sich um zwei typische Streudiagramme zum Zusammenhang zweier Variablen: auf der Grundlinie sind die kontinuierlich abgestuften Ergebnisse einer Eignungsbeurteilung abgetragen (als Resultat der Eignungsdiagnostik), auf der Ordinate die Abstufungen der wahren Eignung der Personen als Kriterium (vgl. Taylor & Russell, 1939).
Abbildung E1. Symbolische Darstellung der Trefferquote im Auswahlprozess. Vergleich von einem Auswahlprozess mit niedriger Validität der Instrumente zur Eignungsbeurteilung (links) mit einem Auswahlprozess mit hoher Validität der Instrumente zur Eignungsbeurteilung (rechts). Blaue Kreise symbolisieren beurteilte Personen. Hohe Validität drückt sich durch einen starken Zusammenhang zwischen dem Ergebnis der Eignungsbeurteilung und der wahren Eignung der Personen aus. Weitergeführte und elaborierte Darstellung von Chart I in Taylor und Russell (1939).
Auf der linken Seite von Abbildung E1 wird der Zusammenhang zwischen der Eignung der Personen und den Ergebnissen einer Eignungsbeurteilung mit wenig validen Instrumenten dargestellt. Die Ergebnisse der Eignungsbeurteilung zeigen nur einen schwachen Zusammenhang mit dem Kriterium der wahren Eignung der Personen und so ist die «Punktewolke» fast rund. Nach einem gesetzten Auswahlkriterium werden sechs Personen ausgewählt, darunter drei Personen, deren wahre Eignung den Anforderungen genügt (Treffer) und drei Personen, die durch die wenig valide Methode der Eignungsbeurteilung zwar über dem Auswahlkriterium liegen, deren wahre Eignung jedoch nicht den Anforderungen genügt (falsch positive Entscheidungen). Der Anteil, den die Gruppe der Treffer an der Gruppe der Ausgewählten hat (also Treffer + falsch Positive) ist die Trefferquote, die in diesem Beispiel bei 50 Prozent liegt (3 geteilt durch 6). Die Trefferquote gibt also an, wie hoch der Anteil der geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten in der Gruppe der ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber ist (siehe auch Taylor & Russell, 1939).
In welcher Weise eine Erhöhung der Validität der Eignungsbeurteilung die Trefferquote erhöht, zeigt der Vergleich der linken Seite von Abbildung E1 mit der rechten Seite. Eine erhöhte Validität der Eignungsbeurteilung drückt sich in einem engeren Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der Eignungsbeurteilung und dem Kriterium der wahren Eignung aus: im Streudiagramm liegen die Personen so näher an der gedachten «Diagonalen» (d. h. an der Regressionsgraden). Im symbolischen Beispiel auf der rechten Seite von Abbildung E1 erreichen so fünf Personen das Auswahlkriterium der Eignungsbeurteilung und darunter befindet sich nur eine Person, die durch die Eignungsbeurteilung im Sinne einer falsch positiven Entscheidung ausgewählt wurde, deren wahre Eignung jedoch nicht den Anforderungen genügt (das entspricht einer Trefferquote von 80 Prozent).
An diesem Beispiel wird deutlich, wie der Einsatz von validen Instrumenten in der Eignungsbeurteilung die Trefferquote in einem Auswahlprozess steigern kann, insbesondere, wenn nicht alle Bewerber im Sinne der wahren Eignung die Anforderungen erfüllen (d. h., wenn die sogenannte Grundquote niedrig ist) und wenn nicht alle Bewerber ausgewählt werden können (d. h., wenn die sogenannte Selektionsrate niedrig ist, vgl. Kersting et al., 2008; Taylor & Russell, 1939). Der Verzicht auf validierte Instrumente der Eignungsbeurteilung ist somit vielleicht in solchen Situationen ohne Konsequenzen, in denen alle Bewerber oder Bewerberinnen im Auswahlprozess a priori die Anforderungen erfüllen. In anforderungsreichen Berufen, die sich einer breiten Beliebtheit erfreuen (so wie es beim Beruf Kaufmann/Kauffrau EFZ der Fall ist) können validierte Instrumente wie der Multicheck® Wirtschaft und Administration jedoch dabei helfen, die Trefferquote im Auswahlprozess zu erhöhen.