Konstruktion des Verfahrens
IdentyFi® stellt eine Weiterentwicklung der Multicheck® Persönlichkeitsanalyse für Jugendliche dar. Diese wurde in enger Anlehnung an das Fünf-Faktoren-Modell entwickelt. Der Bedarf einer Neuentwicklung der Multicheck® Persönlichkeitsanalyse und daraus hervorgehend der IdentyFi® ergab sich in Ermangelung eines berufsspezifischen Verfahrens für Jugendliche. So ist den Autorinnen und Autoren kein Verfahren für Jugendliche bekannt, das sich explizit auf Persönlichkeitsbeschreibung für den beruflichen Kontext konzentriert (wie das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung, das sich jedoch an Personen ab 21 Jahren richtet).
Als wissenschaftliche Grundlage für die Konstruktion von IdentyFi® wurde das Modell der Big Five (z. B. Goldberg, 1999) beziehungsweise das NEO-Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit von Costa und McCrae (z. B. 1992) herangezogen. Diese Modelle postulieren die fünf Persönlichkeitsdimensionen Neurotizismus, Extraversion, Intellekt respektive Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit. Diese Dimensionen sind weitgehend voneinander unabhängig und gelten als relativ stabil über die Lebensspanne sowie als kulturübergreifend. Das Modell wird international als universales Standardmodell zur Beschreibung der Persönlichkeit verwendet. Die Big Five haben sich für unterschiedliche Kriterien von Ausbildungs- und Berufserfolg als vorhersagestark erwiesen (siehe z. B. Barrick, Mount & Judge, 2001). Bei der Entwicklung von IdentyFi® wurde sowohl bei der Auswahl der gemessenen Eigenschafts-Dimensionen als auch bei der Formulierung des Testmaterials (vor allem bei den Inhalten der Fragen, auch «Items» genannt) besonderer Wert auf den beruflichen beziehungsweise leistungsbezogenen Kontext gelegt. Zur Auswahl der Dimensionen wurde eine Anforderungsanalyse mittels verschiedener Umfragen mit Schweizer Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern (Erziehungsdirektion des Kantons Bern, Amt für Bildungsforschung, 2000; Schmid & Storni, 2004; Stamm, Müller & Niederhauser, 2006) sowie Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zu aussagekräftigen Prädiktoren von Ausbildungs- und Berufserfolg (z. B. Barrick & Mount, 1991; Hülsheger & Maier, 2008) hinzugezogen.
Nach der Erweiterung des Itempools der Multicheck® Persönlichkeitsanalyse hin zu IdentyFi® wurden die Fragen einer ersten Stichprobe von Jugendlichen vorgelegt. Die generierten Items wurden durch Expertinnen und Experten auf ihre inhaltliche Nähe zum Konstrukt und auf Verständlichkeit überprüft. Eine faktorenanalytische Überprüfung ergab (anders als bei der Multicheck® Persönlichkeitsanalyse mit sechs Dimensionen) eine Fünf-Faktoren-Lösung: Die Dimensionen Leistungsbereitschaft und Zuverlässigkeit sensu Multicheck® Persönlichkeitsanalyse Junior haben sich in den zugrunde liegenden IdentyFi®-Daten nun in einer gemeinsamen übergeordneten Dimension abgezeichnet. Diese kann inhaltlich und theoriegeleitet (siehe z. B. Westhoff, Steinborn & Schurz, 2013) als Gewissenhaftigkeit interpretiert werden. Die Konstruktion von IdentyFi® erfolgte somit im letzten Entwicklungsschritt datengeleitet: Ausgehend von den faktorenanalytischen Überprüfungen und Analysen der Messgenauigkeit (z. B. per Bestimmung der internen Konsistenz) wurde der Item-Umfang nach Identifikation der Items mit der höchsten psychometrischen Güte reduziert und eine finale Fassung erstellt (entsprechend der aktuell normierten Version).
Wie bei den meisten Persönlichkeitsfragebögen erfolgte die Testkonstruktion im messtheoretischen Rahmen der klassischen Testtheorie. Die Verfahrenskonstruktion begann mit der empirisch-statistischen Überprüfung von 87 Items. Die Selektion der letzten Fassung erfolgte in mehreren Konstruktionsschritten, bei denen das Kriterium der faktoriellen Validität und der psychometrischen Güte zur Selektion und Generierung einiger neuer Items diente. Zuletzt wurde die damalige finale Version von IdentyFi® (die anhand einer Stichprobe von interessierten Jugendlichen ausserhalb eines Rekrutierungsverfahrens konstruiert wurde; Direktzugang) mit einer zweiten Zielgruppe (Jugendliche im Bewerbungsprozess; Firmenzugang) auf ihre psychometrische Güte hin überprüft. Diese Überprüfungen zeigten einerseits auf, dass die Skalenmittelwerte sich zwischen den Jugendlichen im Direktzugang und jenen im Firmenzugang unterscheiden. Anderseits ergaben faktorenanalytische Berechnungen leicht unterschiedliche Ergebnisse bezüglich der psychometrischen Güte von Items. Diese Unterschiede können auf die ungleichen Anwendungskontexte zurückgeführt werden. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde entschieden, die Skalenzusammensetzungen für die Jugendlichen im Firmenzugang im Rahmen der unterschiedlichen Normierungen (Direktzugang versus Firmenzugang) leicht anzupassen.
IdentyFi® wurde einem laufenden Entwicklungsprozess mit zusätzlichen Items angereichert (mitunter auch für andere Persönlichkeitseigenschaften), um die Weiterentwicklung der Persönlichkeitsanalyse zu ermöglichen.
Mithilfe dieser für die Weiterentwicklung implementierten Items wurde die sechste Dimension Durchhaltevermögen konstruiert. Die ursprüngliche Anzahl Items der Dimension Durchhaltevermögen wurde reduziert, indem die Items mit der höchsten psychometrischen Güte in die finale Version der Dimension aufgenommen wurden.
Aktuell besteht IdentyFi® für Jugendliche im Firmenzugang sowie im Direktzugang aus 70 Items, die konzeptuell und empirisch denselben sechs Merkmalen zugeordnet sind.