Persönlichkeitsdimensionen
In den folgenden Kapiteln werden die sechs Dimensionen der Persönlichkeitsanalyse IdentyFi® Pro definiert. Es wird auf Ähnlichkeiten und Unterschiede von IdentyFi® Pro mit dem Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP; Hossiep & Paschen, 2003) sowie dem Verfahren NEO-Persönlichkeitsinventar nach Costa und McCrae in der revidierten Fassung eingegangen (NEO-PI-R; Ostendorf & Angleitner, 2004). Eine Übersicht mit einer detaillierten Interpretationshilfe findet sich im Anhang dieses Handbuchs.
- Gewissenhaftigkeit
- Lernwille
- Belastbarkeit
- Führungsmotivation
- Geselligkeit und Offenheit
- Bereitschaft zur Teamarbeit
Gewissenhaftigkeit
Gemäss den Befunden von Barrick und Mount (1991) weist unter allen Big-Five-Dimensionen Gewissenhaftigkeit den stärksten Zusammenhang mit beruflicher Leistung auf. Die Dimension wird in IdentyFi® Pro durch die zwei Facetten Sorgfalt und Zuverlässigkeit beschrieben. Die Dimension Gewissenhaftigkeit macht Aussagen darüber, mit welcher Genauigkeit, Sorgfalt, Zuverlässigkeit und Detailorientierung eine Person ihre Arbeit erledigt und mit wie viel Willen und Antriebskraft Aufgaben erfolgreich und bis zu Ende bearbeitet werden. Ausserdem wird erfasst, wie hoch der Stellenwert von Arbeit, Leistung und Karriere bei einer Person ist. Ebenfalls werden Ordentlichkeit, Planung von Aufgaben wie auch Kontrolle geleisteter Arbeit thematisiert.
Im Persönlichkeitsverfahren NEO-PI-R (Ostendorf & Angleitner, 2004) wird Gewissenhaftigkeit mit verschiedenen Facetten beschrieben. Dabei kommt dem Konzept der Impulskontrolle eine wichtige Rolle zu, denn neben der Regulation von Begierden und Wünschen existiert eine zweite Art von Selbstkontrolle in Form von Planung, Organisation und Durchführung von Aufgaben. Diese Form ist Grundlage der Dimension Gewissenhaftigkeit gemäss NEO-PI-R (Ostendorf & Angleitner, 2004). Personen mit hoher Ausprägung beschreiben sich als zielstrebig, ehrgeizig und fleissig. Gewissenhaftigkeit steht in Zusammenhang mit akademischer und beruflicher Leistung (Barrick & Mount, 1991). In hoher Ausprägung steht Gewissenhaftigkeit jedoch in Verbindung mit einem übertrieben hohen Niveau des Anspruchsniveaus gegenüber sich selbst oder mit zwanghafter Ordentlichkeit (Ostendorf & Angleitner, 2004).
Gewissenhaftigkeit gemäss IdentyFi® Pro weist des Weiteren Überschneidungen mit Selbstdisziplin als Gewissenhaftigkeits-Facette gemäss NEO-PI-R auf. Unter Selbstdisziplin wird konsequentes, unermüdliches und ausdauerndes Verhalten bei der Arbeit sowie das Nicht-Herauszögern lästiger Arbeiten verstanden (Ostendorf & Angleitner, 2004). Dieses selbst gesteuerte Einhalten und Verfolgen von Zielen oder Fristen wird auch in der Gewissenhaftigkeit gemäss IdentyFi® Pro erfasst. Es wird dabei in IdentyFi® Pro verstärkt auf das Verhalten – wie die Einhaltung von gesetzten Prioritäten und die Umsetzung der Planung – eingegangen. Gewissenhaftigkeit kann als gegenläufig zu der Tendenz, Entscheidungen hinauszuschieben und Probleme zu ignorieren, verstanden werden (im Sinne von Prokrastination; Di Fabio, 2006).
Sorgfalt
Die Facette Sorgfalt beschreibt, wie exakt, ordentlich und gründlich Aufträge erledigt und Kontrollen durchgeführt werden. Sorgfalt, wie sie gemäss IdentyFi® Pro erfasst wird, weist am ehesten Ähnlichkeit zu den Facetten Ordnungsliebe und Pflichtbewusstsein im Persönlichkeitsverfahren NEO-PI-R (Ostendorf & Angleitner, 2004) auf. Personen mit hoher Ausprägung der Facette Ordnungsliebe werden als «organisiert, systematisch und pedantisch» (Ostendorf & Angleitner, 2004, S. 38) beschrieben. Hingegen beschreiben sich Personen mit niedriger Ausprägung als wenig organisiert und unsystematisch in ihrer Arbeitsweise. Personen mit hoher Ausprägung der Facette Pflichtbewusstsein werden als «genau, pünktlich und zuverlässig» (Ostendorf & Angleitner, 2004, S. 38) bezeichnet. Sehr pflichtbewusste Personen erfüllen peinlich genau ihre Verpflichtungen. Hingegen beschreiben sich Personen mit niedriger Ausprägung als ungenau, wenig verantwortungsbewusst und unsorgfältig in ihrer Arbeitsweise. Komponenten dieser zwei Big-Five-Facetten werden in der Facette Sorgfalt gemäss IdentyFi® Pro aufgegriffen. Sorgfalt beinhaltet jedoch nur die Aspekte Ordentlichkeit und Exaktheit, wohingegen der Aspekt Pünktlichkeit in der Facette Zuverlässigkeit erfasst wird.
Die Facette Sorgfalt lässt sich in Analogie zur Operationalisierung der Gewissenhaftigkeit gemäss BIP (Hossiep & Paschen, 2003) setzen. Im BIP wird ein Teilaspekt der Gewissenhaftigkeit, nämlich Sorgfalt und Präzision, untersucht. Begründet wird diese Beschränkung, «… da sich gerade in diesem Punkt (Pragmatismus versus Perfektionismus) viele Tätigkeitsanforderungen deutlich unterscheiden und eine mit anderen Aspekten möglichst nicht konfundierte Messung sichergestellt werden sollte» (S. 28). Personen mit hoher Ausprägung versuchen jede begonnene Aufgabe so gründlich und präzise wie möglich zu bearbeiten. Dabei ist ihnen das korrekte Einhalten von Fristen sehr wichtig. Ebenso bleiben sie auch dann noch ausdauernd bei der Sache, wenn es auf Einzelheiten und Details ankommt (Hossiep & Paschen, 2003). Wie in der Facette Sorgfalt gemäss IdentyFi® Pro wird auch im BIP erfasst, wie sorgfältig und genau Arbeiten erledigt werden. Die Erledigung von Kontrollen wird in IdentyFi® Pro ebenfalls konkret abgefragt. Der Aspekt der Fristeneinhaltung wird hingegen in IdentyFi® Pro separat in der Facette Zuverlässigkeit erhoben.
Zuverlässigkeit
Die Facette Zuverlässigkeit beschreibt, wie diszipliniert Arbeiten angegangen werden und ob diese termingerecht erledigt werden.
Die Facette Zuverlässigkeit lässt sich in Bezug zum Persönlichkeitsverfahren NEO-PI-R setzen. Zuverlässigkeit lässt sich ebenso wie Sorgfalt in eine Facette der Gewissenhaftigkeit des Fünf-Faktoren-Modells einordnen, nämlich Pflichtbewusstsein (Ostendorf & Angleitner, 2004). Personen mit hoher Ausprägung im Pflichtbewusstsein beschreiben sich unter anderem als zuverlässig, prinzipientreu und pünktlich.
Nebst den unter "Sorgfalt" aufgeführten Ähnlichkeiten zu den Big-Five-Dimensionen gemäss NEO-PI-R lässt sich bezüglich der Zuverlässigkeit zudem die Selbstdisziplin als Gewissenhaftigkeits-Facette gemäss NEO-PI-R aufzählen. Unter Selbstdisziplin wird konsequentes, unermüdliches und ausdauerndes Verhalten bei der Arbeit verstanden sowie das Nicht-Hinauszögern lästiger Arbeiten (Ostendorf & Angleitner, 2004). Dieses selbstgesteuerte Einhalten und Verfolgen von Arbeiten wird auch in der Facette Sorgfalt gemäss IdentyFi® Pro erfasst. Jedoch wird in IdentyFi® Pro verstärkt auf das zuverlässige Verhalten – wie die Einhaltung von gesetzten Prioritäten und die Umsetzung der Planung – fokussiert, als dass (wie bei der Selbstdisziplin sensu NEO-PI-R) auf den Umgang und das psychische Befinden bei der Aufgabenerledigung eingegangen wird.
Eine geringe Ausprägung in der Facette Zuverlässigkeit steht in Zusammenhang damit, dass mit der Einhaltung von Terminen, Prioritäten und Planungen Schwierigkeiten erlebt werden. Mit diesen Eigenschaften kann das Konstrukt Prokrastination verbunden werden. Darunter ist unter anderem das Hinausschieben von Entscheidungen und das Ignorieren von Problemen (Di Fabio, 2006) zu verstehen. Allgemeiner kann Prokrastination auch als das freiwillige Hinausschieben von einem Vorhaben verstanden werden, das ungeachtet der aufgrund des Aufschubs erwarteten Verschlechterung eingegangen wird (Steel, 2007). Prokrastination wird als Persönlichkeitsdisposition eingestuft, denn Personen zeigen über verschiedene Situationen und Zeiten hinweg ein ähnlich hohes Mass an Prokrastination (Steel, 2007). Den höchsten Zusammenhang zu den Big Five weist Prokrastination mit Gewissenhaftigkeit auf. Dieser Zusammenhang ist negativ, das heisst, je mehr Prokrastination eine Person zeigt, desto weniger gewissenhaft beschreibt sie sich gewöhnlich (Steel, 2007). Insbesondere weist Prokrastination einen sehr hohen negativen Zusammenhang mit der NEO-PI-R-Facette Selbstdisziplin auf (Schouwenburg & Lay, 1995; Watson, 2001). Die Relevanz von Prokrastination (und damit von mangelnder Zuverlässigkeit im Berufsalltag) wird dadurch deutlich, dass auch metaanalytische Befunde anzeigen, dass mit einem hohen Mass an Prokrastination schlechtere Arbeitsleistungen einhergehen (Steel, 2007).
Lernwille
Die Dimension Lernwille beschreibt das Bestreben, die eigenen Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Lernwille macht Aussagen darüber, wie gerne jemand Neues lernt und wie viel Energie hierfür verwendet wird. Zudem wird das Ausmass der Bemühungen erfasst, die eigenen Kenntnisse zu erweitern. Als ein weiterer Aspekt der Dimension Lernwille ist Wissbegierde zu verstehen. Dieser Aspekt beschreibt, wie sehr jemand danach verlangt, Neues zu lernen, und dies als Gelegenheit sowie Herausforderung wahrnimmt, sich selbst und die beruflichen Kenntnisse weiterzuentwickeln. Auch ob sich jemand gerne kniffligen und komplizierten Themen zuwendet, wird darunter verstanden.
Die Dimension Lernwille gemäss IdentyFi® Pro zeigt eine nahe Verwandtschaft mit der Lernmotivation gemäss Rheinberg (1986). Rheinberg formuliert die Lernmotivation als Bereitschaft der Person, bestimmte Aktivitäten auszuführen, weil sie sich davon einen Lernzuwachs verspricht. Diese Auslegung gleicht der Dimension Lernwille in IdentyFi® Pro.
Die Dimension Lernwille lässt sich auch in Beziehung setzen zur Dimension Offenheit für Erfahrung des Persönlichkeitsverfahrens NEO-PI-R (Ostendorf & Angleitner, 2004). Neben Elementen wie aktive Imagination, ästhetische Sensitivität und Vorliebe für Abwechslung enthält die Dimension Offenheit für Erfahrung auch den Aspekt der intellektuellen Neugierde. Personen mit hoher Ausprägung in dieser Dimension lassen sich als neugierig und wissbegierig beschreiben (Ostendorf & Angleitner, 2004). Nach Barrick und Mount (1991) weist Offenheit für Erfahrungen starke Verbindungen zur Lernfähigkeit und zur Lernmotivation auf. Die Lernmotivation ist neben den kognitiven Voraussetzungen eine entscheidende Determinante für Lernen und Lernerfolg (z. B. Pekrun, 1993).
Belastbarkeit
Mit der Persönlichkeitseigenschaft Belastbarkeit in IdentyFi® Pro wird beschrieben, wie Personen mit Belastungen wie Misserfolgen, Kritik oder Druck in Leistungssituationen oder bei der Arbeit umgehen. Belastungen können verstanden werden als das gleichzeitige Bewältigen mehrerer Aufgaben sowie das Bewältigen einer intensiven Arbeitsphase oder einer länger anhaltenden hohen Arbeitslast. Diese Persönlichkeitsdimension bezieht sich auf wahrgenommene Empfindungen, die mit den beschriebenen Belastungen zusammenhängen oder auf diese folgen können. Dies bezieht sich unter anderem darauf, ob eine Person in der Lage ist, die eigene Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, und sich nicht von externen Störfaktoren unterbrechen lässt, ob sie sich Sorgen macht und ob sie Einbussen der Konzentrationsfähigkeit oder emotionale Unausgeglichenheit erlebt. Dazu gehört auch, wie viel Zeit eine Person für das Überwinden von Rückschlägen braucht und wie lange sie sich noch mit unangenehmen Erlebnissen beschäftigt.
Belastbarkeit gemäss IdentyFi® Pro lässt sich in Beziehung setzen zur Dimension Emotionale Stabilität (bzw. Neurotizismus) der Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale. Emotionale Stabilität bildet den Gegenpol zu Neurotizismus und bezeichnet Unterschiede zwischen Personen hinsichtlich ihrer gefühlsmässigen Robustheit und anderseits ihrer emotionalen Empfindsamkeit (Ostendorf & Angleitner, 2004). Personen mit niedriger Ausprägung von Emotionaler Stabilität werden als «angespannt, besorgt, beunruhigt und nervös» (Ostendorf & Angleitner, 2004, S. 33) bezeichnet. Hingegen beschreiben sich Personen mit hoher Ausprägung als ausgeglichen, da sie Gefühlszustände nicht so stark wahrnehmen oder stärker regulieren können. Damit laufen sie Gefahr, als unsensibel wahrgenommen zu werden (Ostendorf & Angleitner, 2004). Emotionale Stabilität ist (neben Gewissenhaftigkeit) eines der Big-Five-Merkmale, das sich durchgängig als ein relevanter Prädiktor von Ausbildungsergebnissen und beruflichen Leistungen erwiesen hat (mit einem positiven Zusammenhang; Borkenau, Egloff, Eid, Hennig, Kersting, Neubauer & Spinath, 2005).
Im BIP (Hossiep & Paschen, 2003) wird Emotionale Stabilität als «Disposition zu einer allgemein ausgeglichenen emotionalen Grundhaltung erfasst, die eine angemessene Kontrolle der eigenen emotionalen Reaktionen erlaubt» (S. 29) beschreiben. Personen mit hohen Ausprägungen sind in der Lage, bei Schwierigkeiten und Misserfolgen ihre negativen Gefühle in hohem Mass zu kontrollieren, und lassen sich in ihrer Arbeit und Leistungsfähigkeit nicht durch sie lähmen. Ihre Stabilität erlaubt diesen Menschen auch Tätigkeiten erfolgreich zu bewältigen, bei denen sie einem hohen psychischen Druck ausgesetzt sind. Ähnlich zum BIP wird mit der IdentyFi®-Pro-Dimension Belastbarkeit erfasst, wie der kognitive und emotionale Umgang mit Belastungen erlebt wird.
Die Dimension Belastbarkeit wird durch zwei Facetten beschreiben, nämlich Funktionieren unter Belastung und Leistungsbezogene Sicherheit.
Funktionieren unter Belastung
Westhoff und Liebert (2014) beschreiben Funktionieren unter Belastung als ein Aspekt der Facette Beherrschtheit der emotionalen Belastbarkeit. Gemäss der Auslegung von Westhoff und Liebert (2014) wird Funktionieren unter Belastung als das Zurechtkommen in schwierigen beruflichen Situationen, die Entscheidungsfähigkeit auch in kritischen Situationen und das Bewahren von Übersicht in Panikmomenten verstanden. Das Funktionieren unter Belastung gemäss IdentyFi® Pro weist in vielen Aspekten Ähnlichkeit zu dieser Auslegung auf; die Entscheidungsfähigkeit und die Fähigkeit, den Überblick zu bewahren, werden in IdentyFi® Pro jedoch nicht erhoben.
Personen mit hohen Ausprägungen sind in der Lage, bei Schwierigkeiten und Misserfolgen ihre negativen Gefühle in hohem Mass zu kontrollieren, und lassen sich bei ihrer Arbeit nicht durch negative Gefühle lähmen. Ihre hohe Stabilität erlaubt diesen Menschen, auch Tätigkeiten erfolgreich zu bewältigen, bei denen sie einem hohen psychischen Druck ausgesetzt sind. In arbeitsintensiven Phasen sind Personen mit einer hohen Belastbarkeit in der Lage, ihre Arbeitskraft sowie Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die Facette Funktionieren unter Belastung weist eine hohe Ähnlichkeit mit der Belastbarkeit gemäss BIP nach Hossiep und Paschen (2003) auf, wobei Aspekte wie Ermüdungserscheinungen und Konzentrationsschwierigkeiten vor allem in der Facette Leistungsbezogene Sicherheit enthalten sind.
Leistungsbezogene Sicherheit
Leistungsbezogene Sicherheit beschreibt, wie sicher sich Personen in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit unter Belastung fühlen und inwiefern sie in der Lage sind, ihre Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und sich nicht von externen Störungen unterbrechen zu lassen.
Leistungsbezogene Sicherheit lässt sich gemäss Westhoff und Liebert (2014) als ein Aspekt der Facette Selbstsicherheit der Dimension Emotionale Belastbarkeit kategorisieren. Leistungsbezogene Sicherheit beinhaltet demnach, dass sich die Person fähig fühlt, die meisten der eigenen Probleme bewältigen zu können, und einen optimistischen Blick in die eigene Zukunft werfen kann. Die Leistungsbezogene Sicherheit gemäss IdentyFi® Pro weist in vielen Aspekten Ähnlichkeit zu dieser Auslegung auf, unterscheidet sich jedoch darin, dass Aspekte wie das Überwinden von Rückschlägen oder das lange Beschäftigen mit unangenehmen Erlebnissen in der vorliegenden Version nicht berücksichtigt wird.
Wie die Facette Funktionieren unter Belastung weist auch die hier beschriebene Facette Leistungsbezogene Sicherheit inhaltliche Überschneidungen mit der Belastbarkeit BIP gemäss Hossiep und Paschen (2003) auf. Personen mit tiefer Ausprägung in der Belastbarkeit «geben an, bei starken Belastungen schnell die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu erreichen. Wenn sie sich über eine längere Zeit hinweg hohen Anforderungen stellen müssen, fühlen sie sich erschöpft und gereizt oder nervös ...» (S. 68). Zusätzlich zu den genannten Aspekten wird bei Leistungsbezogener Sicherheit gemäss IdentyFi® Pro das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit erfasst.
Führungsmotivation
Die Dimension Führungsmotivation umfasst zwei Facetten: Sie beschreibt einerseits, wie stark das Durchsetzungsvermögen ausgeprägt ist, und anderseits den Führungswillen.
Durchsetzungsvermögen
Die Facette Durchsetzungsvermögen erfasst, wie gerne eine Person Überzeugungsarbeit leistet, mit wie viel Beharrlichkeit sie ihre Meinung vertritt und wie gerne sowie selbstsicher sie diese auch durchsetzen kann.
Diese Facette bezeichnet einerseits den Willen, die eigene Meinung oder Idee verwirklicht zu bekommen, und anderseits das selbst eingeschätzte Können dazu (also wie gut einem dies gelingt). Da es sich bei diesem Fragebogen um eine Selbsteinschätzung handelt, wird bewusst auf die Begrifflichkeit der Fähigkeit zur Durchsetzung verzichtet. Es soll stattdessen abgedeckt werden, wie gerne, aktiv und mit wie grosser Sicherheit und Beharrlichkeit eigene Ideen, Interessen oder Weiteres durchgesetzt werden und als wie stark jemand das eigene Können diesbezüglich erlebt.
Mit Durchsetzungsvermögen werden das Machtmotiv und das Leistungsmotiv in Verbindung gebracht. Untersuchungen zu diesen Motiven sind häufig mit Führungspersonen, respektive im Kontext von Führungsmotivation, durchgeführt worden (z. B. Collins, Hanges & Locke, 2004; Steinmann, Dörr, Schultheiss & Maier, 2015). Denn Personen, die eine hohe Motivation haben, eine Führungsrolle zu übernehmen, setzen sich regelmässig damit auseinander, wie sie andere beeinflussen und anleiten können (Kirkpatrick & Locke, 1991). Unter dem Machtmotiv wird das Bedürfnis verstanden, sich stark und einflussreich zu fühlen (Winter, 1992). Personen mit einem ausgeprägten Machtmotiv wollen Überlegenheit und Kontrolle demonstrieren. Deshalb versuchen sie, die Kontrolle über Ressourcen und andere Personen zu erlangen. Damit kann auch eine Furcht vor Kontrollverlust einhergehen, was sich darin äussern kann, dass Personen mit hohem Machtmotiv Gefühle der Schwäche und Minderwertigkeit möglichst vermeiden wollen (Veroff, 1982). Motive wie das Machtmotiv haben einen Einfluss auf die Orientierung und Auswahl der Verhaltensstrategien (Winkler, Dörr & Klebl, 2017).
In einigen Aspekten gleicht die Facette Durchsetzungsvermögen der Dimension Durchsetzungsstärke gemäss BIP (Hossiep & Paschen, 2003). Im Unterschied zum BIP wird jedoch nicht explizit auf die Bereitschaft, sich insbesondere bei Widerständen aktiv durchzusetzen, sondern eher auf einen grundsätzlichen Willen, die eigene Meinung zu vertreten, fokussiert. Zudem wird auf die Komponente der im BIP assoziierten Konfliktbereitschaft verzichtet. Dafür werden mit der Facette Durchsetzungsvermögen verstärkt die Sicherheit und die Befindlichkeit bei Situationen, in denen Durchsetzungsverhalten verlangt wird, berücksichtigt.
Im Persönlichkeitsverfahren NEO-PI-R wird Durchsetzungsfähigkeit als Facette der Extraversion untersucht (Ostendorf & Angleitner, 2004). Personen mit einer hohen Ausprägung auf dieser Facette werden als «dominant, energisch und sozial überlegen» (Ostendorf & Angleitner, 2004, S. 41) beschrieben. Entsprechend übernehmen hoch extravertierte und durchsetzungsfähige Personen in Gruppen häufig eine führende Rolle ein und ergreifen ohne zu zögern das Wort. Personen mit einer geringen Ausprägung von Durchsetzungsfähigkeit bleiben eher im Hintergrund und überlassen anderen das Reden (Ostendorf & Angleitner, 2004).
Führungswille
Die Facette Führungswille beschreibt, wie gerne eine Person Einfluss auf andere nimmt, beispielsweise indem sie in Gruppen eine führende Rolle einnimmt, Aktivitäten einer Gruppe in eine bestimmte Richtung lenkt und darauf abzielt, eine Führungsposition zu besetzen.
Führungswille ist die Motivation, eine führende Rolle einzunehmen. Unter Führungsmotivation wird verstanden, wie ausgeprägt der Wunsch ist, soziale Vorgänge durch direkte Einflussnahme aktiv zu gestalten und zu lenken. Die Bereitschaft respektive der Wunsch, eine Führungsposition zu übernehmen, wird mit der Facette Führungswille abgefragt. Die Führungsmotivation gilt als guter Prädiktor für Karriereerfolg (Mayrhofer et al., 2005), was die Relevanz dieser Persönlichkeitsfacette im beruflichen Alltag verdeutlicht.
Im BIP (Hossiep & Paschen, 2003) wird Führungsmotivation als «ausgeprägtes Motiv zur sozialen Einflussnahme; Präferieren von Führungs- und Steuerungsaufgaben; Selbsteinschätzung als Autorität und Orientierungsmaßstab für andere Personen» (S. 22) beschrieben. Ähnlich zum BIP wird mit dem Führungswillen in IdentyFi® Pro erfasst, wie gerne Führungsaufgaben übernommen werden und als wie hoch die eigene Eignung für solche Aufgaben eingeschätzt wird. Der Rückschluss auf die ausgestrahlte Autorität und ob man für andere Personen als Orientierungsmassstab fungiert, wird hingegen nicht vorgenommen.
Führungswille gemäss IdentyFi® Pro weist zudem Überschneidungen mit der Eigenschaft Ehrgeiz (engl. ambition) gemäss dem Hogan Personality Inventory (HPI; Hogan & Hogan, 2007) auf. Personen mit einer hohen Ausprägung von Ehrgeiz wirken ambitioniert, kraftvoll und zuversichtlich, was die eigenen Fähigkeiten betrifft, und lassen sich durch eine energische und kompetitive Art beschreiben (Hogan & Hogan, 2007). Eine hohe Ausprägung in Ehrgeiz hängt mit hoher Arbeitsleistung zusammen; Personen mit hoher Ausprägung übernehmen eher die Initiative, packen Aufgaben an, Präsentationen vor anderen Personen gelingen ihnen gut und sie übernehmen gerne die Leitung von Gruppen. Jedoch können auch negative Auswirkungen durch einen sehr hohen Ehrgeiz gemäss HPI entstehen, wie unter anderem, dass auf den Input von anderen Personen verzichtet wird und Jobwechsel bei fehlender Sicht auf Karrieremöglichkeiten häufiger vorkommen können (Hogan & Hogan, 2007). Die Facette Führungswille gemäss IdentyFi® Pro unterscheidet sich von Ehrgeiz, indem vor allem erfasst wird, wie gerne die Person eine führende Rolle in einer Gruppe übernimmt und wie stark ihr Vertrauen in die Führungsfähigkeiten ist. Aspekte wie energische und ambitiöse Vorgehensweisen sind dagegen eher in der Facette Durchsetzungsvermögen enthalten.
Zudem ist auch bei dieser Facette ein Zusammenhang mit dem Machtmotiv herzustellen, denn machtmotivierte Personen versuchen ihre soziale Umwelt zu beeinflussen, zu kontrollieren und zu dominieren (Furtner & Baldegger, 2013), siehe Kapitel 2.4.1 «Durchsetzungsvermögen».
Geselligkeit und Offenheit
Die Dimension Geselligkeit und Offenheit wird durch zwei Facetten abgebildet, nämlich Kontaktbereitschaft und Einfühlungsvermögen. Ihnen ist gemein, dass sie beschreiben, wie sich Personen bei Diskussionen, Gesprächen, Verhandlungen, Gruppenarbeiten und weiteren sozialen Interaktionen bei der Arbeit verhalten.
Kontaktbereitschaft
Kontaktbereitschaft beschreibt, wie gerne und leicht eine Person den Kontakt zu ihr bekannten und unbekannten Personen einerseits aufnimmt und anderseits aufbaut und pflegt. Des Weiteren beschreibt die Dimension Kontaktbereitschaft, ob sich jemand anderen Personen gegenüber gerne öffnet oder eher zurückhaltend ist. Auch ob sich eine Person unter unbekannten Menschen mühelos einbringen kann, den Umgang mit vielen unterschiedlichen Personen schätzt und auch mit sehr zurückhaltenden Menschen ein Gespräch führen kann, wird mit dieser Dimension abgebildet.
Die IdentyFi®-Pro-Dimension Kontaktbereitschaft ist ähnlich der Dimension Kontaktfähigkeit aus dem BIP (Hossiep & Paschen, 2003). Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass im BIP Kontaktfähigkeit nebst einer Bereitschaft zur Kontaktaufnahme auch die Fähigkeit zu ebendieser impliziert (Hossiep & Paschen, 2003). In IdentyFi® Pro wird auf die Einschätzung der Kompetenz zur Kontaktaufnahme verzichtet. Weiter wird in IdentyFi® Pro anders als im BIP auf Items zur Netzwerkdichte und -qualität verzichtet. Insofern handelt es sich bei Kontaktbereitschaft um eine engere Facette als bei Kontaktfähigkeit gemäss BIP.
Kontaktbereitschaft weist inhaltliche Zusammenhänge mit der Extraversion, insbesondere der Facette Geselligkeit, aus dem Fünf-Faktoren-Modell auf. Extraversion umfasst Aspekte wie Geselligkeit, Aktivität und die Tendenz, positive Gefühle zu erleben (Costa & McCrae, 1992). Insbesondere die Geselligkeits-Facette von Extraversion, die beschreibt, wie gesprächig, kommunikationsfreudig und kontaktfreudig eine Person ist (Ostendorf & Angleitner, 2004), wird durch Kontaktbereitschaft aufgegriffen.
Einfühlungsvermögen
Einfühlungsvermögen bezeichnet, wie stark eine Person sich in andere hineinversetzt und deren Perspektive und Stimmung wahrnimmt. Es wird erfasst, wie gut sich jemand in einer Gruppe zurechtfinden kann. Diese Facette umschreibt folglich, wie sicher sich jemand in der Wahrnehmung von Befindlichkeiten und Signalen des Gegenübers einschätzt.
Diese Facette ähnelt der Eigenschaft Sensitivität gemäss BIP (Hossiep & Paschen, 2003), welche die Fähigkeit zur Wahrnehmung von Signalen im zwischenmenschlichen Bereich erfasst. Einfühlungsvermögen gemäss IdentyFi® Pro beschreibt nicht die Fähigkeit bei der Wahrnehmung von Signalen des Gegenübers, sondern die individuell erlebte Sicherheit bei der Einschätzung ebensolcher Signale. Darüber hinaus wird mit dieser Facette auch erfasst, wie gut jemand den eigenen Umgang sowie eigene Einschätzungen von Gefühlslagen anderer Menschen beurteilt.
In der Forschungsliteratur ist oftmals von interpersonellem Einfühlungsvermögen (engl. interpersonal sensitivity) die Rede. Dieses setzt sich zusammen aus der Möglichkeit, mit anderen Personen und der Umwelt zu interagieren, der Aufmerksamkeit und den Einschränkungen des eigenen Wahrnehmungssystems bezüglich der Palette von Stimuli, die man entdecken und verarbeiten kann (Bernieri, 2001). Unter interpersonellem Einfühlungsvermögen wird auch die Fähigkeit verstanden, von nonverbalen Hinweisen zu Urteilen über Fähigkeiten, Eigenschaften und Zuständen anderer Personen zu gelangen (Carney & Harrigan, 2003). Darunter fallen sowohl nonverbale Signale, die mit Emotionen zusammenhängen, als auch globalere soziale Informationen, die beispielsweise die Persönlichkeit des Gegenübers und die soziale Rolle betreffen. Dieses zwischenmenschliche Einfühlungsvermögen wird als Grundlage für die emotionale und soziale Intelligenz vorausgesetzt (Carney & Harrigan, 2003; Mayer, Salovey, Salovey & Sluyter 1997).
Auf diese Bandbreite von Einfühlungsvermögen bezieht sich auch die gleichnamige Facette des IdentyFi® Pro. Jedoch beinhaltet diese Facette nur die Einschätzung der selbst wahrgenommenen Fähigkeiten und der Bereitschaft im Einfühlungsvermögen und keine objektive Einschätzung der Adäquatheit des Einfühlungsvermögens. Grund dafür ist, dass es mittels Selbstbeurteilung nur in einem eingeschränkten Mass möglich ist, die tatsächlichen Fähigkeiten des Einfühlungsvermögens zu beurteilen. So hängt die Einschätzung des eigenen interpersonellen Einfühlungsvermögens nicht zwingend mit der tatsächlichen Leistung in ebendiesem zusammen (Carney & Harrigan, 2003).
Einfühlungsvermögen ist von einigen anderen Persönlichkeitsmerkmalen abzugrenzen. Dazu gehört unter anderem Empathie: Das korrekte Einschätzen einer Emotion muss nicht zwingend zum Nachfühlen dieser Emotionen führen (Bernieri, 2001).
Mataanalytische empirische Befunde unterstützen die Ansicht, dass die Genauigkeit der interpersonellen Wahrnehmung zentral ist in diversen zwischenmenschlichen Bereichen — mitunter im Arbeitskontext, wo sich ein Zusammenhang von der Leistung am Arbeitsplatz und interpersoneller Sensitivität (d. h. Einfühlsamkeit) zeigte (Hall, Andrzejewski & Yopchick, 2009).
Bereitschaft zur Teamarbeit
Die Dimension Bereitschaft zur Teamarbeit bezeichnet das Bestreben und die Neigung, die Zusammenarbeit im Team zu suchen und aktiv zu unterstützen. Ein Testwert bei dieser Eigenschaft macht zum Beispiel Aussagen darüber, ob jemand lieber im Team oder allein arbeitet und beim Arbeiten in Gruppen Freude erlebt. Ausserdem spielt es eine Rolle, ob eine Person auf die Ressourcen im Team zurückgreift, beispielsweise indem sie sich helfen lässt, wenn sie allein nicht weiterkommt. Als weiterer Aspekt dieser Persönlichkeitseigenschaft wird die individuelle Überzeugung, dass die Zusammenarbeit mit anderen zu erfolgreichen oder auch kreativeren Ergebnissen führt, erfasst.
Die Arbeit im Team ist eine sehr häufige Arbeitsform. Dies zeigt sich darin, dass Teamfähigkeit oft ein zentrales Anforderungsmerkmal in der Personalauswahl darstellt. Teamfähigkeit lässt sich definieren als die Fähigkeit, «mit anderen zu kooperieren und im Hinblick auf ein angestrebtes Ziel effektiv Ergebnisse zu erzielen. Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit von den Teammitgliedern als positiv erlebt werden» (Seelheim & Witte, 2007, S. 8). Die IdentyFi®-Pro-Dimension Bereitschaft zur Teamarbeit spiegelt Aspekte der Big-Five-Dimension Verträglichkeit wider. In einer Metaanalyse zu Persönlichkeitseigenschaften und der Teamleistung konnte aufgezeigt werden, dass Verträglichkeit (neben Gewissenhaftigkeit) zentral ist für die Arbeitsleistung im Team (Peeters, van Tuijl, Rutter & Reymen, 2006). Auch wenn Verträglichkeit für das Ausmass der Leistung einer isoliert arbeitenden Person nicht als ausschlaggebend gilt, ist diese Eigenschaft ein wertvoller Prädiktor, wenn auf Leistung bei der Arbeit in einem Team geschaut wird (Hurtz & Donovan, 2000). Hoch verträgliche Personen werden von anderen als herzlich, einfühlsam, teilnehmend und verständnisvoll wahrgenommen. Personen mit einer tiefen Ausprägung in Verträglichkeit werden im Gegenzug Merkmale wie Kaltherzigkeit, Egoismus und Streitsucht zugeschrieben (Furtner & Baldegger, 2013).
Die IdentyFi®-Pro-Dimension Bereitschaft zur Teamarbeit ähnelt der Eigenschaft Teamorientierung im BIP (Hossiep & Paschen, 2003). Allerdings wird in IdentyFi® Pro im Gegensatz zum BIP auf die Komponente verzichtet, dass zugunsten der Teamarbeit die eigenen Profilierungsmöglichkeiten zurückgesteckt werden. Stattdessen wird die Einstellung erfasst, dass im Team die besten Leistungen erreicht werden können.