Testkonzept
Tests zur allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit (d. h. Intelligenz) gehören unter den psychometrischen Verfahren zu den besten Prädiktoren zur Vorhersage von Ausbildungs- und Berufserfolg; dies konnte in diversen international angelegten Studien nachgewiesen werden (siehe z. B. Schmidt et al., 2016; Sackett et al., 2021). Bei der Kompetenzanalyse steht die Bestimmung der Passung zwischen den kognitiven Voraussetzungen einer Person und den Anforderungen der zu besetzenden Position im Vordergrund. Das Konzept der Kompetenzanalyse orientiert sich einerseits an wissenschaftlich gewonnenen Theorien der Intelligenz, anderseits spielt die Orientierung an praktischen Anforderungen des Bereichs Gesundheit HF eine zentrale Rolle. Durch die Berücksichtigung berufsspezifischer Aufgaben trägt das Verfahren somit den praktisch-realen Anforderungen der Berufsbilder Rechnung.
In ihrer Form grenzt sich die Kompetenzanalyse Gesundheit HF von klassischen Intelligenztests, aber auch von Schulleistungstests ab: Durch die Kombination von Grundwissen, Potenzial und Berufsspezifischen Fähigkeiten geht die Kompetenzanalyse klar über einen reinen Intelligenztest hinaus. Durch den berufsspezifischen Anforderungsbezug und die Normierung grenzt sie sich zudem deutlich von Schulleistungstests ab, deren Ziel es ist, festzustellen, inwieweit die schulischen Leistungsziele erreicht wurden.
Die Analyse lässt sich als Leistungstest zur Erfassung kognitiver Fähigkeiten in die Cattell-Horn-Carroll-Theorie (CHC-Theorie; McGrew, 2009; Schneider & McGrew, 2012) einordnen. Massgeblich ist bei dieser Theorie die strukturelle Anordnung kognitiver Fähigkeiten auf drei hierarchischen Ebenen, wobei eine Ebene jeweils die Faktoren der unteren Ebene in einer kleineren Anzahl von Faktoren zusammenfasst. Diese Struktur zeigt sich darin, dass die einzelnen Bereiche der intellektuellen Fähigkeiten konzeptionell zusammenhängen, jedoch nicht deckungsgleich sind. Aus diesem Grund steht auf der obersten, abstrakten Ebene ein allgemeines Mass der Intelligenz, nach unten hin werden die Ebenen konkreter und schmaler und somit für spezifische Anforderungen relevanter. Daraus ergeben sich die Bereiche Grundwissen, Potenzial und Berufsspezifische Fähigkeiten mit den verschiedenen Gebieten (z. B. Mathematik und Deutsch im Grundwissen), die zu einem Gesamtwert als allgemeiner Indikator für die kognitive Eignung zusammengefasst werden. Als Leistungstest sind die Aufgaben innerhalb einer Aufgabengruppe so gestaltet, dass Aufgaben mit tendenziell ansteigendem Schwierigkeitsgrad in einer begrenzten Zeitspanne zu bearbeiten sind (Speed-Power-Test).
In Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus der Berufsbildung wurden Berufsspezifische Fähigkeiten als Kompetenzen identifiziert, die für eine Ausbildung im Bereich Gesundheit HF und die spätere Ausübung der jeweiligen Berufe zentral sind. Mit der Erfassung von berufsspezifischen Kompetenzen mit hohem Bezug zu realen Aufgaben der Berufsausbildung soll eine möglichst genaue Vorhersage für Leistung und Erfolg von Personen in der Ausbildung ermöglicht werden. So werden vor allem im Bereich Berufsspezifische Fähigkeiten Kompetenzen erfasst, die aus praktischer Sicht für die Zielberufe wichtig sind. Der Aufbau und die Inhalte der Kompetenzanalyse sind die Konsequenz dieses komplementären Konzepts, das sich sowohl stark auf die etablierte CHC-Theorie stützt wie auch massgeblich von Berufsfachleuten mitgeprägt und damit stark in der Praxis verankert ist.
Normierung
Um die von einer Person erreichten Werte optimal interpretieren zu können, werden sie mit den Leistungen anderer Personen verglichen, die sich ebenfalls im Bewerbungsprozess für Berufe im Bereich Gesundheit HF befunden haben. Sie definieren die Normstichprobe, auf deren Verteilungsbasis die Referenz- beziehungsweise Vergleichswerte gebildet wurden. So können spezifische Aussagen darüber gemacht werden, wie die Testleistung der Person im Vergleich mit anderen zu bewerten ist. Die Ergebnisse der Bewerbenden werden auf Seite 1 der Auswertung als Balken in Form von normierten Prozentrangwerten1 angegeben und im Hintergrund werden die Leistungslevels abgebildet, sodass ersichtlich ist, auf welchem Level ihre Leistung jeweils liegt.
Die Notwendigkeit der Normierung und der damit verbundenen Bildung von Prozentrangwerten wird anhand eines Beispiels deutlich: Löst eine Person in einem Gebiet 50 Prozent aller Aufgaben richtig (Rohwert), mag dies intuitiv zu der Interpretation führen, dass dies ein durchschnittliches Ergebnis ist, weil die Hälfte aller Aufgaben richtig beantwortet wurde. Nehmen wir jedoch an, dass das Aufgabengebiet im Durchschnitt von allen Personen mit 65 Prozent der Aufgaben richtig gelöst wird (also eher leicht zu lösen ist), so befände sich die Person mit 50 Prozent richtig gelöster Aufgaben unter dem Durchschnitt, was somit beispielsweise einem Prozentrangwert von 30 entsprechen könnte.
Die Normierung beziehungsweise Festlegung der Vergleichsstichprobe wird jährlich überprüft und bei Bedarf angepasst. Die aktuelle Normstichprobe stammt aus der Testperiode 2023/2024. Das heisst alle Personen, die sich in der Normstichprobe befinden, haben sich zwischen Mitte Mai 2023 und Ende April 2024 auf einen Beruf im Bereich Gesundheit HF beworben und im Zuge dessen die Kompetenzanalyse absolviert. Sie basiert auf 1865 Personen im Alter zwischen 17 und 35 Jahren (Mittelwert = 22.8 Jahre; Standardabweichung = 4.3 Jahre; am häufigsten haben jedoch 21-Jährige mitgemacht). 79.8 Prozent der Personen aus der Normstichprobe sind weiblich und die übrigen 80.2 Prozent männlich. Die Normierung wird gemäss den Anforderungen der DIN 33430 (Richtlinien für die berufsbezogene Eignungsdiagnostik) in regelmässigen Abständen mit neu erhobenen Daten überprüft und verfeinert. Genauere Angaben zur Normierung der Persönlichkeitsanalyse sind im Unterkapitel Normierung bei der Persönlichkeitsanalyse zu finden.
Berufsspezifische Anforderungen
Ein weiterer Faktor, der in die Beurteilung der Eignung einfliesst, ist der Abgleich der normierten Ergebnisse mit dem Anforderungsprofil eines Berufs. Mit der Erfassung von berufsspezifischen Kompetenzen mit hohem Bezug zu realen Aufgaben der Ausbildung sowie des Berufsbildes soll eine möglichst genaue Vorhersage von Leistung und Erfolg von Personen im Bereich Gesundheit HF ermöglicht werden. Die Anforderungsprofile der Berufsbilder entwickelt gateway.one in Zusammenarbeit mit Fachpersonen aus der Ausbildung sowie aus dem Berufsfeld des Bereichs Gesundheit HF. Dabei wurden für jedes Berufsfeld die besonders relevanten Fähigkeitsgebiete identifiziert und stärker gewichtet. Folglich muss in diesen Fähigkeitsgebieten eine bessere Leistung erbracht werden, um ein ausreichendes Ergebnis zu erzielen. Dies bedeutet aber auch, dass die Ergebnisse auf der ersten Seite des Zertifikats von der Wahl des Berufsfeldes abhängig sind. Da sich die Anforderungen zwischen den verschiedenen Berufsbildern unterscheiden, stehen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei der Durchführung der Kompetenzanalyse Gesundheit HF unterschiedliche Berufsbilder mit je eigenen Anforderungsprofilen zur Verfügung:
- Dipl. Aktivierungsfachmann/-frau HF
- Dipl. Biomedizinische/r Analytiker/in HF
- Dipl. Dentalhygieniker/in HF
- Dipl. Fachmann/-frau Operationstechnik HF
- Dipl. Orthoptist/in HF
- Dipl. Pflegefachmann/-frau HF
- Dipl. Radiologiefachmann/-frau HF
- Dipl. Rettungssanitäter/in HF
Diese Anforderungen sind auf der ersten Seite des Zertifikats durch farbliche Umrandungen markiert. So wird sofort ersichtlich, ob die gezeigten Fähigkeiten der Bewerber und Bewerberinnen dem Berufsprofil entsprechen. Die Testleistungen idealer Bewerberinnen und Bewerber sollten sich zugunsten einer guten Passung innerhalb dieser Bereiche befinden oder darüber hinausgehen.
Limitationen
Ein Leistungstest wie die Kompetenzanalyse sollte stets als eine Momentaufnahme der Fähigkeiten und Kompetenzen einer Person gesehen werden. Aus diesem Grund kann die Analyse innerhalb einer Testperiode einmal wiederholt werden. Die kognitive Eignung, wie sie mit der Kompetenzanalyse erfasst wird, ist eine gute Voraussetzung für einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss; der Ausbildungserfolg wird jedoch noch von weiteren Faktoren mitbestimmt, wie beispielsweise Persönlichkeitseigenschaften, Interessen oder Wertehaltungen. Deshalb beinhaltet das gesamte Verfahren zusätzlich eine Persönlichkeitsanalyse.
Es gilt daher zu beachten, dass die Ergebnisse im Auswahlprozess in Verbindung mit weiteren Informationsquellen ergänzt werden sollten.
Footnotes
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Prozentrangwerte werden unter genauer Prozentrangwerte in den Kompetenzbereichen beschrieben. ↩